Interview mit den Machern von Muranomore.com Kramer & Zmölnig

Ralf Zmölnig und Andreas Kramer sind die Geschäftsführer des 2015 gegründeten Internet-Start-ups muranomore.com, das sich auf die Distribution und Vermarktung von hochwertigen Glasprodukten aus Murano spezialisiert hat.

Im Doppelinterview geben sie Antworten über die Strategie und die Zielsetzungen ihres Projektes.

Red.:

Was bedeutet der Name “muranomore” Ihres Start-ups?

 

Andreas Kramer:  

“muranomore” setzt sich in der italienischen Interpretation aus Murano und Amore zusammen. Das bedeutet die Liebe zu diesem Handwerk verbindet sich mit dem historisch wichtigen Herkunftsort für mundgeblasenes Glas, Murano. Oder lesen Sie es Englisch, dann könnte man es übersetzen mit: mehr Murano bitte!

Red.:

Ist das Ihre Liebe zu Muranoglas, die da thematisiert wird?

Andreas Kramer:

Nicht nur unsere Liebe, sondern auch die Liebe der Kunden, Sammler und Hersteller zum Produkt. Wir haben in Murano ja eine einmalige Situation. Die Glasbläserfamilien leben und arbeiten dort teilweise schon seit Jahrhunderten. Die Baroviers, die Segusos, die Morettis, das sind Glasbläserdynastien, die teils seit mehreren Jahrhunderten Wissen weitergegeben haben. Entsprechend groß ist nicht nur das Herstellungswissen, sondern auch die Leidenschaft, mit der Entwürfe entstehen. Das sieht man den Produkten an.  

Red.:

Also ein Nischenprodukt für Glasliebhaber?

Ralf Zmölnig:

Ich würde eher sagen eine attraktive Palette hochwertiger Produkte mit unvergleichlicher Herstellungstradition im weltweit seit Jahren stabil wachsenden Luxussegment.

Red.:

Das klingt nach einem Fahrplan. Wie sieht der aus? Wieso investieren Sie in diesen Markt?

Ralf Zmölnig:

Wir beobachten weltweit ein beeindruckendes Heranwachsen von großen Mittelschichten, die alle auf der Suche nach einem eigenen Lifestyle sind. Das hat in den verschiedenen Regionen verschiedene Ursachen. In den BRIIC-Staaten ist es ein neuer Wohlstand durch Industrialisierung, in Europa ein Generationswechsel innerhalb der Milieus und so weiter. Allen gemein ist, dass sie auf der Suche nach einer für ihre Generation eigenen Idee von Lebensqualität sind. Hier besteht unsere Chance, ein unwiderstehliches Angebot zu machen.  

Red.:

Welches Angebot ist das?

Ralf Zmölnig:

Wir sprechen hier nicht von einem einzelnen Glas oder einem Sortiment, sondern von einem ganzen Bouquet an Lebensqualitäten, das der Kunde mit jedem einzelnen Produkt erwirbt. Diese Gläser sind tatsächlich aufgrund geheimer Rezepturen und ihres spezifischen Brechungsindex viel klarer und kräftiger in den Farben als normale Industriegläser. Das optische und das haptische Erlebnis weicht also eklatant von jeder Glaserfahrung ab, die man sonst hat. Die modernen Designlinien stammen von weltbekannten Künstlern, wie Carlo Scarpa, Carlo Moretti, Tapio Wirkala oder inzwischen von jungen Gegenwartskünstlern. Die Zielgruppen erzeugen mit diesen Produkten nicht nur einen Aha-Effekt bei sich und ihren Gästen, sondern verbinden sich gleichzeitig mit einer tausendjährigen Kulturgeschichte. Dieses Bewusstsein für ihre eigene Lebensqualität erwerben sie bei uns.

Red.:

Denken Sie, dass das für große Zielgruppen von Interesse ist?

Ralf Zmölnig:

Wir haben die “Geiz ist geil”-Zeit der frühen Nullerjahre längst überwunden. Schauen sie sich die jungen Leute an. Eltern sprechen von Qualitytime mit ihren Kindern. Wachsende Zielgruppen ernähren sich zunehmend bewusst und vegan. Milieusegmente wie die “Lohas“ (Lifestyle of Health and Sustainability, A.d.R.) beherrschen plötzlich über Jahre die Marketingstudien und Entwicklungsökonomen sprechen von “leapfrogging”, von Bocksprüngen, mit denen Gesellschaften heute einfach in ein neues Bewusstsein hineinspringen, ohne dabei die gleichen Entwicklungsfehler wie alte Wohlstandsgesellschaften zu machen. Wenn es uns gelingt, den Anspruch und die Qualität dieser einmaligen Produkte nachvollziehbar darzustellen, dann steht uns eine riesige Zielgruppe gegenüber.

Red.:

Das klingt nach Marketingdenken. Aus welchem Bereich kommen Sie?

Andreas Kramer:

Wir kommen beide aus dem Internet- bzw. Online-Marketing. Wir betreiben eine erfolgreiche, mittelständische Online-Marketingagentur in München und arbeiten dort für nationale und internationale Kunden. 

Red.:

Was hat man sich unter Internet-Marketing vorzustellen?

Ralf Zmölnig:

Das Internet ist aus der Perspektive des Marketing eine riesige, ständig wachsende Ansammlung von frei zugänglichen Daten, die von einer weltweiten Zielgruppe produziert und konsumiert werden. Man kann es als globalen Bewusstseinsprozess betrachten, der sich in Texten, Bildern, Tönen und Videos niederschlägt. Es ist eine höchst spannende Aufgabe, an diesem Bewusstseinsprozess aktiv teilzuhaben und ihn mit einem so hochwertigen Produkt, wie Muranoglas, anzureichern.

Red.:

Ist das bisher nicht ausreichend geschehen?

Andreas Kramer:

Auf keinen Fall. Die Abgeschottetheit der Insel hat sich auch auf das Distributions- und Marketingverständnis der Hersteller niedergeschlagen. Aber das sollte man nicht missverstehen. Es ist nicht damit getan, einen Internetshop zu eröffnen. Unser Unternehmen ist getrieben von der Idee des Contentmarketing, also der Darstellung einer höheren Idee in den Köpfen der Verbraucher. Das ist letztlich keine neue Methode, aber durch das Internet kann der Reputationsprozess für die Produkte und ihren Ursprung klar beschleunigt werden.

Red.:

Wie kann man sich das in Bezug auf die Handarbeit in Murano vorstellen?

Andreas Kramer:

Denken Sie an die Krise der Schweizer Uhrenindustrie, als die Digitaluhren aufkamen. Digitaluhren sind bei weitem genauer, günstiger und wartungsärmer als mechanische Uhren. Es hat für einige Jahre so ausgesehen, als würde die Schweizer Uhrenindustrie daran zugrunde gehen. Bis die Schweizer Uhrenindustrie dazu überging, die Geschichte der unglaublichen Mechanik und Handwerkstradition ihrer Produkte zu erzählen. Heute exportiert die Schweiz jährlich fast 30 Millionen Uhren und ist in Bezug auf den monetären Marktanteil unerreichte Nummer eins im Weltmarkt. Wenn man eine tolle Geschichte hat, sollte man sie erzählen. Murano hat genauso eine Geschichte.

Red.:

Auf der Insel gibt es einige wichtige Initiativen, um die Glasbläsertradition zu retten. In der “Glasstress”-Aktion zeigt der Glasmeister Adriano Berengo seit Ende der 80er auf weltweiten Tourneen und parallel zu den Biennalen Kunstwerke aus Muranoglas von unterschiedlichen Künstlern. Was unterscheidet Ihren Ansatz?

Andreas Kramer:

Der Ansatz von Berengo ist sehr wichtig für die Glasbläser der Insel und hat somit einen Grundstein gelegt. Er hat den Glasbläsern Hoffnung und Aufmerksamkeit gegeben. Wir machen aber in gewisser Weise das Gegenteil. Wir konzentrieren uns nicht auf Ausstellungskunst, sondern auf Designlinien, die weltweit auf jedem Esstisch stehen oder in jedem Wohnzimmer hängen können, sobald sich jemand zu einem qualitätsorientierten, zeitgemäßen Lifestyle bekennt. Wir schließen mit dem modernsten Kommunikationsinstrument, dem Internet, eine historisch entstandene Kommunikationslücke zwischen Markt und Anbieter.

Ralf Zmölnig:

Wir wollen auch niemanden retten, sondern ergreifen eine Chance, Anbieter und Verbraucher kurzzuschließen, zum Vorteil aller Beteiligten. Das wird dann wieder entsprechende Impulse auf die Insel senden und dazu führen, dass wieder neue hochwertige Designlinien entstehen, wie wir sie z.B. von Carlo Moretti kennen, den wir für unser Start-Sortiment gewählt haben.

Red.:

Wieso haben Sie sich zu Beginn auf Carlo Moretti konzentriert.

Ralf Zmölnig:

Wir haben eine Marktsondierung vorgenommen und die interessantesten Marken und Designer für unser Zielgruppensegement identifiziert. Carlo Moretti besticht einerseits durch seine Herstellungsphilosophie und die Versiertheit seiner zeitlosen Entwürfe. Er verbindet Tradition und Modernität auf unvergleichliche Weise. Andererseits hat er im Laufe seines Schaffensprozesses ein ungewöhnlich breites Werk von lauter wundervollen Dingen hervorgebracht, die man gerne auf seinem Tisch stehen hat. Für das Einstiegssortiment war er nach unserer Analyse der ideale Kandidat. Aber es hätte auch andere gegeben.

Red.:

Und wie geht es weiter?

Ralf Zmölnig:

Wir werden das Sortiment konsequent erweitern und dabei immer wieder neue Designer in den Vordergrund stellen.

Red.:

Was sind die Vorteile eines Kunden, der in Ihrem Shop kauft?

Andreas Kramer:

Wir garantieren, dass wir ausschließlich von zertifizierten Manufakturen Waren beziehen – es handelt sich also um zertifiziertes, echtes Muranoglas. Minderwertige Ware findet bei uns keinen Eingang. Nach und nach wird das Sortiment sehr umfangreich werden. Unsere Autoren begleiten den Prozess mit spannenden Hintergrundinformationen, so dass der Kunde mehr erwirbt als ein Glas – er erwirbt sich auch ein Bewusstsein für seinen eigenen Lifestyle. Wir haben den Shop sehr transparent aufgebaut, so dass aus allen möglichen Perspektiven auf das Sortiment zugegriffen werden kann.

Red.:

Welchen Designer stellen Sie als nächstes vor?

Ralf Zmölnig:

Lassen Sie sich überraschen. Bewerbungen junger und auch älterer Designer aus Murano sind uns jederzeit willkommen. Wir legen in unserem Shop Wert auf eine frische, urbane und charismatische Ausstrahlung der Produkte. Wovon wir uns fernhalten wollen, ist der „Muranoramsch“, der zumindest in so einigen Läden vor Ort die Oberhand gewonnen hat.

Red.:

Sehen Sie im Internet generell eine Chance für das Handwerk?

Andreas Kramer:

Auf jeden Fall. Schauen Sie sich erfolgreiche Plattformen wie Fab an, wo sogar Einzelstücke verkauft werden und gänzlich unbekannte, aber hochklassige Designer mit einer weltweiten Zielgruppe in Kontakt kommen. Wir lieben dieses Handwerk und wir wollen genau der Partner sein, der es stärkt und ihm zu neuer Blüte verhilft. Vor allem wollen wir aber auch gemeinsam mit unseren Partnern den Lifestyle des neuen Mittelstandes mitprägen. Und denken Sie an Schlagworte wie Localcommerce, also daran, die Leute auch wieder lokal mit Online und Offline zu verknüpfen!

Red.:

Stellen Sie Ihr Marketing-Knowhow den Glasmanufakturen zur Verfügung?

Andreas Kramer.:

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es einen wunderbaren, kreativen Austausch gibt, der letztlich den Kunden und Sammlern, aber natürlich auch den Herstellern und uns selbst zugutekommt.

Red.:

Wie haben Sie Ihre persönliche Leidenschaft für Muranoglas entdeckt?

Ralf Zmölnig:

Ich kann mich erinnern, wie in den 70ern auf einem Münchner Weihnachtsmarkt jemand aus heißen Glasstäben kleine Figuren gebogen hat. Ich war als Kind so fasziniert von diesem unglaublichen Material, das sich plötzlich wie glühender Honig in fantasievolle Formen biegen ließ, um sofort wieder zu erstarren. Viel später, Ende der 90er, ist mir dann ein umfassendes Werkverzeichnis von Dino Martens und Aureliano Toso in die Hände gefallen, das mir eine Idee von den Verarbeitungstechniken gegeben hat. Lustigerweise ist mir dann in der Auseinandersetzung mit Carlo Moretti klar geworden, dass ihn nach seiner eigenen Aussage in einem Interview die gleiche Faszination für das magische Material angetrieben hat, die ich als Kind auf dem Weihnachtsmarkt empfunden habe. Obwohl er das natürlich in der Manufaktur seines Vaters noch mal in ganz anderer Intensität mitbekommen haben muss. Ich habe ja auch die Manufaktur von Carlo Moretti besucht und war sofort gefangen in diesem Kosmos aus Licht, Wasser, Patina und würzigen Gerüchen.

Red.:

Zählen Sie sich selbst zur Zielgruppe?

Andreas Kramer:

Unbedingt. Alle unsere Mitarbeiter sind von der Gestaltungskraft und der kulturhistorischen Bedeutung dieser winzigen Insel fasziniert und besonders natürlich von den Produkten. Ich denke, eine derartige kreative Dichte findet sich nirgendwo auf der Welt. Meine persönlichen Lieblingsdesigner und Designlinien finden sich unter den Marken von Venini, Salviati, Nason Moretti und natürlich Carlo Moretti, mit dem wir uns ja jetzt sehr intensiv befasst haben. Aber andere Kollegen haben wieder andere Vorlieben. Es gibt ein solche Vielfalt an herausragenden Designern, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben 

Red.:

Danke für das aufschlussreiche und inspirierende Gespräch. Wir sind gespannt auf Ihre Entwicklung.